Berlintörn vom 12. bis 19.April 2003Bericht von Uli Mai Die Crew: Karl-Heinz Wewers, Helmut Bartkowiak, Holli Hollstein, Manfred Riegel und Uli Mai. Nachdem Karl-Heinz mit seiner Frau im letzten Jahr in Berlin waren und davon mit großer Begeisterung erzählten hat, ist uns der Gedanke gekommen, anstatt immer nach Holland zu fahren es auch mal mit Berlin zu versuchen.
Karl-Heinz hat eine 10 m lange Motorjacht für uns ausgesucht. Sie ist ein wenig teurer als in Holland, aber der Preis wurde durch 5 geteilt, war unter dem Strich in Ordnung und somit eine gelungene Sache. Am Samstag, dem 12. April um 6 Uhr, also mitten in der Nacht, trafen wir uns bei Manfred, und los ging es in Richtung Berlin. So Gott es will, sind wir am Samstag oder Sonntag, dem 19.04.03 wieder in Recklinghausen. Ein neuer Mann ist dabei. Ein Varianta- Segler und Clubkamerad, Helmut. Da wir den Plan hatten, mit einem Auto zu fahren, sollte unser Gepäck ein Hänger aufnehmen. Helmut hatte einen, und so brauchten wir nicht nur seinen Hänger, sondern besser noch ihn selbst. Das Wetter war in den letzten Tagen sehr frisch, so um die 0 Grad. Als Trost sagte der Wetterbericht jedoch für die nächste Zeit ansteigende Temperaturen voraus. Bei der Abfahrt war es noch sehr schattig. Samstag um diese Zeit loszufahren, war ein guter Gedanke. Kein Stau, gutes Licht, kein Regen. Nach zwei kleinen Pausen erreichten wir so gegen 12:30 Uhr den Wannsee. Nicht nur der See heißt so, sondern auch der ihn umgebende Stadtteil. Auf der Landkarte sah das ein wenig größer als Haltern aus, in natura sollen an Spitzentagen sich so 60 000 Menschen hier tummeln. Die Anzahl der Segler rund um den Wannsee beträgt mit 24 Clubs ca. 5 000 Segler. Gott sei dank, in dieser Jahreszeit sind nur einige wenige Boote auf dem Wasser, sonst hätte jeder nur einige Quadratmeter für sein Schiff.
Karl-Heinz kannte sich hier sehr gut aus, und nicht nur das, er kannte den Hafenwart eines Anlegers in Werder, bei dem wir die Nacht verbrachten. Die Nacht war saukalt, so um die 0 Grad. Fingerdick lag am nächsten Morgen der Raureif auf den Schiffen. Die Toiletten waren in einem Wohnhaus in der Tiefparterre untergebracht, und eine warme Dusche gab uns die Lebensgeister wieder zurück.
Ein schönes Clubhaus mit Restaurant und Theke reizte uns zu einer gymnastischen Übung. Einarmiges Reißen in der Halbliterklasse war angesagt. Einer unserer Leute schwärmte sogar davon, und danach war er dann auch der Meinung, es gehe nichts über ein gezapftes Bier. Gott sei Dank, es geschehen noch Zeichen und Wunder. Das Tolle daran war noch, dieses Wunder hielt sogar die ganze Woche an!! Als
wir in dem tollen Clubhaus an der Theke saßen, und so über den Wannsee
blickten, hörten wir im Hintergrund einen Herrn reden. Manfred, Karl-
Heinz und ich sahen uns erstaunt an. Der Gedanke war, unser Kommodore
Ha-Jo, der aus Berlin stammt, ist auch hier. Er war es aber nicht, denn
die Eingeborenen sprechen hier alle so.
Eine Sightseeing- Tour auf eigenen Beinen sollte uns Bewegung verschaffen. Vom Spittelmarkt sind wir mit der U- Bahn zum Potsdamerplatz mit dem enormen Dachzelt des Sony- Center gefahren. Überall Gastronomie und Unterhaltung. Für uns hatte man einen Kaffee. Danach gingen wir zu Fuß zum Reichstag. Eine lange Warteschlange verwehrte uns den Eintritt. Durch das Brandenburger Tor ging unser Spaziergang auf die Straße „ Unter den Linden“. Gegenüber dem Hotel Adlon haben uns in einem Straßenkaffee zwei Bier gut geschmeckt. Weiter ging unser Weg durch die Stadt. An der Humboldt- Uni eine Demonstration, die von Polizei mit Fahrzeugen, wie Wasserwerfern, Streifenwagen und Mannschaftswagen beschützt wurde. Der Besuch des Berliner- Domes schloss sich daran an. Auf die Frage einer Türsteherin, „ Abendandacht oder Besichtigung“ wählten alle den preiswerteren Weg der Abendandacht. Im Nikolai-Viertel haben wir eine Portion Matjes zu uns genommen und mit Bier heruntergespült. Der Weg zum Schiff brachte uns zum „Roten Rathaus“ und zu Honnis Lampenladen, dem Palast der Republik, dem Palazzo Prozzo. Da ist nichts Palastartiges mehr. Asbest verseucht, blinde Fenster, einfach eine Bruchbude. Nur noch abreißen ist angesagt Der nächste Morgen, Dienstag der 15. 04. 03. sah uns Brötchen kaufen und Bier etc. besorgen. Anstatt Brötchen gab es Schrippen und Knochen. Einen Lebensmittelladen erreichten wir erst nach einem ausgiebigen Spaziergang. Nach dem Frühstück machen wir die Leinen los, und ab ging es in Richtung Köpenik. Wieder einmal herrlicher Sonnenschein und frühlingshafte Temperaturen. Wir fahren der Sonne entgegen. Ein tolles Gefühl inmitten einer Großstadt (Berlin hat ca., 3,6 Mio. Einwohner) mit einer Jacht zu fahren. Berlin hat 51,7 Quadratkilometer Wasserfläche, und 1700 Brücken liegen innerhalb der Stadt verteilt auf Flüssen, wie Spree und Havel und Seen, wie Wannsee, Tegeler- und Großer Müggelsee. Dass sich inmitten dieser zerklüfteten Wasserlandschaft drei Dutzend Inseln finden, wird dagegen selten erwähnt, vielleicht deshalb, weil die Berliner auf Insellagen aus historischen Gründen schlecht zu sprechen sind. Vor uns lag als erstes die Oberbaumbrücke. Im Krieg gingen ihre beiden in Backsteingotik gebauten Türme zu Bruch. In DDR - Zeiten verrottete der Rest als ungenutzte Verbindung zwischen Ost und West. Erst nach der Wende putzten Restauratoren sie zu einem Schmuckstück heraus. Der längste Berliner, der Fernsehturm, war noch eine ganze Zeit in unserem Blickfeld. Wenn die Sonne auf die hellglänzende Kuppel scheint, dann erscheint ein großes Kreuz auf dem Metall. In der atheistischen DDR sprach man von der Rache des Papstes. Vom Boot aus sahen wir noch Reste der Mauer. Diese wird jetzt von Sprayern genutzt. Es ist die „East Side Galery“ ca. 1,3 km der einstigen Betongrenze. Sie ist sehenswert, über Hundert Künstler „ Sprayer“ haben sich hier ausgetobt. Nach einer Fahrt durch alte Industriebauten erreichten wir bald Köpenick. In falscher Uniform narrte der Schuhmacher Voigt als Hauptmann von Köpenick den Bürgermeister und stahl 4000,- Mark aus der Stadtkasse. Weiter ging es durch eine Naturlandschaft die Dahme herauf. Viele Ruderer leisteten uns Gesellschaft. Einfache Bretterbuden, aufgebockte Wohnwagen oder stadtübliche Einfamilienhäuser wechselten einander ab. Am Ausgang eines Sees warnte uns der Tiefenmesser. Die Tiefe betrug nur noch 20 cm. Eigentlich hätten wir aufsetzen müssen. Mit etwas Glück konnten wir diese Barre überwinden. Die Schleuse „Neue Mühle“ stellte sich uns in den Weg. Nach dem durchfahren einiger Seen erreichten wir den Wolziger-See, und an einem Anleger lag ein Lokal mit dem Namen „ Fischerhütte“. Da es schon so gegen 17 Uhr war, beschlossen wir hier zu essen und über Nacht zu bleiben. Ein schwarzes Bier „ Abt- Bier“, ein Bier mit Ingwer, verkürzte uns unter einem Schilfdach sitzend die Zeit bis zur Küchenöffnung. Dieses Getränk darf dem Reinheitsgebot nach sich nicht Bier nennen. Es schmeckte dennoch sehr vorzüglich. Als wir da so dieses Bier tranken, erschien ein Fischtransporter aus Holland. So ein Auto zum Transport lebender Fische. Dieses Fahrzeug entlockte uns die wildesten Vermutungen. Wenn der Holländer Fisch hierher transportiert, dann essen wir hier keinen Fisch war die einhellige Meinung. Es war genau umgekehrt, der Holländer holte Fisch aus Berlin und brachte ihn nach Holland. Der arme Fisch muss lange Auto fahren, eher er als Hollandfisch verbraucht wird. Unser Abendessen bestand aus Zanderfilet mit Bratkartoffeln und Garnitur - Beilage „Ein kleines Salatblatt, ein Streifen Paprika und fünf Maiskörner“ schmeckten sehr gut. Natürlich mit unseren Menüangeboten konnte es nur schwerlich mithalten. Unser chef de cuisine, Karl-Heinz, hat mit leichter Hand u.a. folgende Speisefolge zusammen gestellt:
Das war ein Ausschnitt aus dem reichhaltigen Ideenschatz unseres „chef de cuisine ,-Karl- Heinz“.
An
jedem Morgen wartete auf uns ein reichhaltiges Frühstück, natürlich
mit Ei. Mehrere Sorten Getränke, ohne Mengenbeschränkung. Am frühen
Nachmittag eines jeden Tages
gingen wir im Windschatten einer Insel vor
Anker. Kaffee und Kuchen war dann angesagt. An jedem Tag ein anderer
Kuchen. Dazu eine
tolle
Aussicht und jede Menge Sonne. Der nächste Morgen, Mittwoch der 16.04. 03. Das Wetter ist wie immer. Wir haben Sonne satt, und die Temperatur beträgt um 10 Uhr schon 22°. Der weiteste Punkt unserer Reise ist erreicht, und unser Schiff fährt zunächst nach Westen und dann nach Norden..
Am
Ostufer des Müggel - Sees wähnten wir uns plötzlich in einer anderen
Welt. Kleine Kanäle von unzähligen Brücken überspannt, biegen vom
Flusslauf ab. „ Neu Venedig“ heißt diese Gegend. Eigentlich eine
Schrebergartenkolonie. Aber was für eine! Bauvorschriften scheint es
hier keine zu geben. Mit langsamer Fahrt, es waren 5 kmh erlaubt, glitt
unser Schiff durch eine faszinierend kitschigschöne Siedlung. Ein Wassersportzentrum an der Müggelspree. Gleich daneben ist der Jachtclub Berlin- Grünau. Eine ehemalige Kaderschmiede der DDR. Sie ist unter anderem die Heimat von Jochen Schümann. Mit drei Goldmedaillen, ist er Deutschlands erfolgreichster Segler. In dem Zentrum gab es jede Menge Versorgungseinrichtungen, nur kein Bier. Was soll es , wir waren gut zu Fuß und nach einer Stunde war Bier an Bord. Als Sherry hat man uns Kirsch - Likör angeboten. Mit Schaudern haben wir darauf verzichtet. Bei unserem Aufenthalt an der Müggelspree hat Karl- Heinz sich mit einem Schulfreund getroffen. Dieser Hans - Dieter Baroth arbeitete schon in der damaligen DDR als Autor und Journalist. Er hat uns die Stimmung der Ostler zu gesamt Deutschland nahe gebracht. An CDU und Katholiken hat er kaum ein gutes Haar gelassen. Nur unser „vornehmes und zurückhaltendes Wesen“ einem Gast gegenüber hielt die Stimmung offen. Am nächsten Morgen fuhren wir wieder mit gemächlichem Tempo durch das Zentrum der Millionen- Metropole. Mit uns waren Frachter unterwegs, die meisten aus Polen und Touristendampfer. Sportboote sah man selten. Es ist ein tolles Gefühl, wenn man sagen kann, jetzt kommt die Nikolai – Kirche, der Reichstag oder das Kanzleramt. Nach der Innenstadt glitt unser Schiff durch den Tegeler - Forst. Schrebergärten und Bootsanleger wechselten sich ab. So gegen 18 Uhr erreichten wir unser Reiseziel, Spandau. Ein Jachtclub an der Zitadelle war unser Anleger. Etwas unruhig, denn direkt über uns war die Einflugschneise des Tegeler - Flughafens. Eine Maschine nach der anderen, im Abstand von drei Minuten, setzte zur Landung an. Vor dem opulenten Abendessen führte uns ein Spaziergang durch Spandau und in die Zitadelle. Es ist eine echte Renaissancefestung. Am Wochenende wird mit einem Biwak und historischen Uniformen die Befreiung durch Preußen und Russen von den Franzosen in Erinnerung gebracht. So mit Kanonendonner und Musketengeknalle. In Spandau war auch Rudolf Hess inhaftiert. Sein Knast war nicht die Zitadelle sondern ein Gefängnis drei Kilometer entfernt, das nach seinem Tode geschliffen wurde. In der Nacht zum Karfreitag trübte das Wetter ein. Der Morgen brachte fast winterliche Temperaturen. So reifte in uns der Entschluss, am Freitagabend nicht mehr auf dem Schiff zu schlafen, sondern nach Hause zu fahren. Zu Beginn des Osterfestes hat Helmut jedem nach dem Frühstück ein halbes Marzipan-Ei offeriert. Toll, was? Um 10 Uhr sind wir dann los über den Wannsee, unter der Glienicker - Brücke, und nach einem Stopp vor Anker mit Kaffe und Kuchen steuerten wir den Heimathafen an. Die Einfahrt in den Hafen gestaltete sich bei auflandigem Wind noch schwierig .Karl-Heinz war am Ruder und hat diese Situation ohne Schramme gemeistert. Um 15 Uhr lag unser Schiff fest. Diesel haben wir 87 Liter verbraucht, geringfügig weniger als mit dem Auto bis Recklinghausen. Ein unangenehmer Wind erleichterte es uns, von Berlin Abschied zu nehmen. Um unsere Frauen zu schonen, hat Helmut uns sogar noch alle nach Hause gefahren, ein zusätzliches Bonbon für unseren traumhaft schönen Törn, den wir ohne Karl-Heinz, unseren chef de cuisine, und seine Mühen sicherlich nicht so hätten erleben können.
Es
war ein Törn, mit einem sehr gepflegten Boot der Fa. Gerald Schmidt (:
http://www.ycsc.de)
den wir allen begeisterten Bootsfahrern weiterempfehlen können.
Uli
Mai |