Mit den Farben Oer-Erkenschwicks auf dem camino Santiago


Torres del Rio über Logrono und Najera nach Cirinuela
9./10. Tag. Dienstag, Mittwoch, den  24./25.03.2009
653 km bis 587 km vor Santiago

Spruch des Tages:

Der Weg der Erlösung
führt nicht nach rechts oder links,
er führt ins eigene Herz,
und dort allein ist Gott,
und dort allein ist Friede.
                             Hermann Hesse

Mit den Farben Oer-Erkenschwicks walke ich nun schon 200 km über den camino de Santiago. Als Segler fährt man in fremden Gewässern die Nationale, die Gastandflagge und den Clubstander. Genau so mache ich es auf dem camino. Allerdings habe ich als Clubstander die Farben, sprich die Flagge, meiner Heimatstadt Oer-Erkenschwick am Rucksack. Es war nicht leicht, an solch eine Flagge zu kommen. Selbst im Rathaus konnte mir Peter R. nicht weiterhelfen. So habe ich mir selbst eine gebastelt und habe mir für alle Fälle noch eine in Reserve mitgenommen. Ich bin schon oft darauf angesprochen worden, was die einzelnen Symbole zu bedeuten haben.

Nun zur Sache:
Zunächst einmal recht schönen Dank für die vielen Kommentareinträge. Das baut einen immer wieder auf, wenn man weiß, dass in der Heimat an einen gedacht wird.

Gestern morgen bin ich mit Angela, Simon, und Michael um 7:15 Uhr gestartet. Es war sehr kalt und es wehte ein heftiger Wind. Nach einer halben Stunde sahen wir die ersten Wölkchen am Himmel, und nach einer weiteren halben Stunde war der Himmel zu. Es wurde noch kälter, und nach einer weiteren Stunde legten wir zum ersten Mal unsere warmen Wetterjacken an. Es ging zunächst wieder steil bergauf. Das am frühen morgen, wenn die Betriebstemperatur noch nicht erreicht ist, fällt mir besonders schwer. Nach dem Gipfel wurde es leichter. Es ging fast nur noch bergab bis Logrono. Es war keine sehr schöne Gegend. Viel Baustellen und Industrie. Schon bald spürte ich den 30 km-Marsch vom Vortag in meinen Knochen.

In Logrono angekommen war meine Batterie leer. Die drei anderen hatten Mitleid und begleiteten mich noch bis zur Herberge, wo ich nur noch ein Bett wollte. Pech gehabt, die Herberge öffnet erst um 15:30 Uhr. Wir aßen in einem Lokal noch zusammen ein Pilgermenü. Vorspeise, gemischte Salatplatte, Hauptgericht Seezunge auf Salat, als Nachspeise Vanilleeis, dazu noch eine cerveza, weil ich nun nicht mehr laufen musste, und einen Cafe con leche. Alles zusammen für 8,90 Euro. Wo gibt es das in Deutschland?

Ich verabschiedete mich von allen, da sie noch rund 13 km gehen wollten. Ich schlenderte, was sollte ich auch anderes machen, durch die Stadt. Ich kam zum Busbahnhof. Dort wollte ich mich nach einem Bus erkundigen, der morgen früh fährt. Die Dame hat es falsch verstanden, und ruck zuck hatte ich ein Ticket für 1.70 € in der Hand. Der Bus fuhr um 15 Uhr und ich war 15:30 in Najera in der Herberge.
Der Hospitalero war sehr nett. Ich sagte ihm, dass ich nur schlafen möchte. Er legte mir noch eine zweite Matratze auf, weil die untere bis auf den Rahmen durchgelegen war.


Kirche von Najera

Ich schlief mit einer kleinen Unterbrechung für die Besichtigung der Stadt bis um 8 Uhr. Alle Schmerzen waren beiseite geschoben. Nun wollte ich Willi Leugers zum 75. Geburtstag gratulieren. Für den besseren Empfang ging ich vor die Tür. Es klappte. Als ich zurück wollte war die Tür ins Schloss gefallen und niemand mehr da. "Öffnung der Herberge um 16 Uhr" stand an der Tür. Was sollte ich nun machen? Ich klopfte sehr heftig und versuchte durch das Toilettenfenster einzusteigen, leider vergebens. Aus Verzweiflung klopfte ich nochmals an dem hinteren Fenster des großen Schlafsaals. Ich wollte gerade resignierend in die Stadt gehen, als dann doch der Hospitalero, sich noch den Schlaf aus den Augen wischend, mir die Tür öffnete. "Gott sei dank" habe ich gesagt.

Um 9 Uhr startete ich, und nun zum ersten Mal ganz allein.
Ich habe es richtig genossen. Nun habe ich meinen camino für mich. Unterwegs traf ich zwei nette Holländer und einen griesgrämigen Bayern. Dieser überholte mich nach einer halben Stunde, ohne ein Wort zu wechseln. Nun, solche Menschen gibt es auch, jedoch auf dem camino äußerst selten.


Herberge in Cirinuela

Ich durchquerte eine tote Stadt, welche um einen Golfplatz herum gebaut worden war. Es war kein Mensch zu sehen und alle Roll-Läden waren herunter gelassen. Überall war "Vende" zu lesen. Es muss sich wohl um eine sehr große Fehlinvestition handeln.

Um 14 Uhr war ich in Cirinuela. In der Herberge war niemand da. Ich legte mich vor der Herberge auf eine Bank und macht ein kleines Schläfchen. Plötzlich schnüffelte ein kleiner Hund an mir herum und der Hospitalero stand vor mir. Er erklärt mir, dass er eigentlich erst ab dem 01.04. die Herberge öffnet. Er nahm mich aber mit.

Im Dorf gab es ein Internet, bei dem ich endlich auch mal ein Foto einfügen konnte. Wer saß schon da vor der Kiste: Wolfgang aus Wien! Wir sprachen nur kurz zusammen, er wollte noch15 km weiter gehen, woraus aber nichts wurde, wie sich am nächsten Morgen herausstellte.

Ich laufe nun meinen camino mit einem Schnitt von 20 km. Die sind für mich auch angemessen.

Am Abend gab es noch ein Pilger- (Familien-) treffen in Santa Domingo de la Calzada. Pedro, mein Hospitalero aus Mexico, hatte mich zum Abendbrot und Frühstück eingeladen, was ich dankbar annahm. Nach dem Essen lud er mich ein mit nach Santo Domingo zu fahren. Er setzte mich an einem markanten Punkt, nahe der Herberge ab, und wir verabredeten uns für 9 Uhr zur Rückfahrt.

Ich wollte mir unbedingt die romanisch-gotische Kathedrale aus dem 11./12. Jh. ansehen. Leider war sie für Renovierungsarbeiten geschlossen. Das in der Kirche gehaltene weiße Paar lebender Hühner erinnert an das Wunder aus den 16 Jh. in Santo Domingo. (Das findet Ihr sicher an anderer Stelle im Internet.)
Ich schlenderte durch die Stadt, und siehe da, plötzlich saßen vor mir auf der Calle de Mayor vor einem Restaurant Simon aus Canada und Michael aus Nürnberg. Sie hatten gerade einen großen Bierkrug wieder mit Luft gefüllt. Sie erzählten, dass alle Bekannten in der Herberge seien.


Kathedrale von Santo Domingo de la Calzada

Wir gingen zur Herberge, und alle machten große Augen, als sie mich gesund wieder sahen. Sie freuten sich alle und drückten mich. Als ich mich draußen auf der Strasse von ihnen verabschieden wollte, kam just in diesem Augenblick Pedro daher. Er erkannte sofort, dass ich Freunde wieder getroffen hatte und bot sich spontan an, mich morgen früh um 7:30 Uhr mit dem Auto hier her zu bringen. Ich wollte eigentlich gar nicht, konnte es aber nicht mehr abwehren, denn alle freuten sich, ihren Oldie wieder mit auf dem Weg zu haben.

Kurioses vom Wegesrand:
Noch vor meiner Reise hatte ich zu Hause einen Traum. Ich war in einer kleinen Herberge abgestiegen und wollte etwas kochen. Bei allen Lebensmitteln war das Verfallsdatum weit abgelaufen. Ich sagte den anderen Pilgern: ” So lange die Butter nicht ranzig ist, kann man sie doch wohl noch essen.” In der Herberge in Cirinuela bekam ich tatsächlich dann am Morgen ranzige Butter. Das Brot war geschmiert, und nun musste es auch runter gewürgt werden. Ich sah es dem Hospitalero nach, denn er war sehr nett und wollte ja auch seine Herberge erst am 01.04. öffnen.


7 Antworten auf “Mit den Farben Oer-Erkenschwicks über den Camino Santiago”

  1. Silvia sagt:                                    Eine Jakobspilgerfreundin
    25.3.2009 bei 18:27

    Buenos tardes, Karl-Heinz,
    toll, dich auf dem Camino zu sehen!
    Mein PC-Monitor zeigt mir das Foto ein wenig zusammengequetscht - oder ist es so, dass du ein wenig schmaler geworden bist? Das könnte ich gut verstehen….
    Falls du morgen nicht in Granon übernachtest schaue dir die Herberge im Glockenturm wenigstens an - es lohnt sich!
    Liebe Grüße
    Silvia
     

  2. Andrea sagt:                                Meine Tochter
    25.3.2009 bei 19:03

    Hola Papa,

    ich dachte Du trägst mittlerweile schon einen Bart :-D
    Bleibe Deinem Rhythmus treu!!!

    Alles Liebe
    Andrea
     

  3. Arnold sagt:                                 Mein Freund aus Toronto
    25.3.2009 bei 19:39

    Hola Caminero

    Ich bewundere Deinen rasanten Fortschritt der ersten 10 Tage. Überleg mal - sogar der Schöpfer hat nach einer Woche eine Ruhepause eingelegt und Dir steht ein Blauer Montag zu. Also, der nächste Montag ist genehmigt.
    Saludos
    Arnold
     

  4. Jürgen sagt:                                 Mein Sohn
    25.3.2009 bei 20:09

    Hola, que tal?

    da du bisher ja momentan über deinem geplanten Schnitt liegst, sind 20 km pro Tag doch sicher mehr als genug, oder?
    Der Bayer wird sicher freundlicher dreinschauen, wenn der FC Bayern die Mannschaft aus Barcelona aus der Championsleague geschossen hat…

    Hoffe, dass ihr wieder besseres Wetter bekommt. Hier haben wir 5 Grad, in der Eifel gab es gestern 15 km Neuschnee.

    viele Grüße
    Jürgen
     

  5. macke sagt:                                 Mein Sohn
    26.3.2009 bei 11:09

    Hola Papa,

    mach es mit DEINEM Tempo…

    Erst zu warm - jetzt zu kalt!
    Man soll sich auch nicht über das Wetter beschweren, denn Petrus schlägt sofort zurück. ;-)
    Aber ich bin mir sicher, das Wetter ist definitiv besser als hier. Temperaturen um die 3 Grad, Sturm und Dauerregen und das nun schon seit 5 Tagen.

    Die “Cordubar” hat am Samstag den ersten großen Ansturm überstanden. 50 (Umzugs-) Helfer haben in unserem neuen Keller einem Live-Konzert einer Punk-Rock-Band “gelauscht”. Die Wände haben alles super überstanden und auch die Theke steht noch 1a! Henri hat auch noch eine Zugabe gespielt.
    Nochmals, auch auf diesem Wege, vielen Dank für die viele Hilfe im Keller, die Nachbarn haben uns darum extrem beneidet.

    Uns geht es allen sehr gut.

    Geh weiter DEINEN Weg,
    liebe Grüße aus Angermund
    Macke
     

  6. Jörg Müller sagt:                                Journalist der Stimbergzeitung
    27.3.2009 bei 13:37

    Hallo Karl-Heinz,
    Respekt und Anerkennung!
    Ich wünsche Dir viel Kraft. Halte durch!
    Schon jetzt freue ich mich auf Deinen Reisebericht.
    Beste Grüße aus der Heimat
    Jörg Müller
     

  7. Anima Kremer sagt:                   Zwei nette Tischnachbarinnen während unserer letzt-              
    9.5.2009 bei 20:16                     jährigen Donaukreuzfahrt

    Hallo Karl-Heinz,
    ich finde es ganz toll, dass Du diese Pilgerreise unternommen hast und Du Dir Deine Träume erfüllst. Ich lese mit Spannung, wieweit Du jeden Tag gegangen bist.
    Gestern bekam ich einen Schreck von der negativen Nachricht, aber heute sehe ich, die Heiligen im Himmel beschützen Dich und Du konntest wieder weiter wandern.
    Herzliche Grüße auch von Anja

    Anima Kremer

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